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Der Emmausgang: Mit Jesus unterwegs

in Bibelarbeit von und für Laien 15.01.2011 15:55
von Benedicta (gelöscht)
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Evangelium nach Lukas
Kapitel 24
(nach der ökumenischen Einheitsübersetzung)

13 Am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist.
14 Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte.
15 Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus hinzu und ging mit ihnen.
16 Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, sodass sie ihn nicht erkannten.
17 Er fragte sie: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? Da blieben sie traurig stehen,
18 und der eine von ihnen - er hieß Kleopas - antwortete ihm: Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
19 Er fragte sie: Was denn? Sie antworteten ihm: Das mit Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem ganzen Volk.
20 Doch unsere Hohenpriester und Führer haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen.
21 Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde. Und dazu ist heute schon der dritte Tag, seitdem das alles geschehen ist.
22 Aber nicht nur das: Auch einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab,
23 fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe.
24 Einige von uns gingen dann zum Grab und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn selbst aber sahen sie nicht.
25 Da sagte er zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben.
26 Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?
27 Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.
28 So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen,
29 aber sie drängten ihn und sagten: Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt. Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.
30 Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen.
31 Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr.
32 Und sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?
33 Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt.
34 Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen.
35 Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.





Zu diesem Evangelienabschnitt habe ich eine besondere Beziehung, weil es mein Taufevangelium ist. Getauft wurde ich in der Adventszeit, aber ich wählte dennoch ein österliches Evangelium. In diesem Evangelium erkannte ich ein Gleichnis meines eigenen Lebens, so wie es gleichnishaft das Leben eines jeden Gläubigen abbildet.

Wir wissen nicht viel über die beiden Jünger, die auf dem Weg nach Emmaus waren. Vom einen erfahren wir zumindest den Namen, während der andere gänzlich anonym bleibt. Wir wissen nur, dass die beiden unterwegs miteinander gesprochen haben - sie redeten und tauschten ihre Gedanken aus, so sagt es der Bibeltext nach der Einheitsübersetzung. Damit tun sie etwas Wesentliches, das alle Christen tun sollten: Sie teilen ihren Glauben, aber auch ihre Empfindungen miteinander, sie haben Gemeinschaft. Und mittendrin gesellt sich der Herr zu ihnen! Sie aber erkennen Ihn nicht, denn ihre emotionale Erregung, das Eingesponnensein in die eigene Gefühlswelt macht sie blind.

Kennen wir das nicht auch aus dem eigenen Alltag?

Dann hakt Jesus nach. Natürlich weiß Er längst, worüber sie reden, aber Er fragt sie trotzdem. Salopp formuliert würden wir sagen, Jesus stellt sich dumm. Ich denke mir, Er wählt diese Strategie, um die Jünger zum Reden zu bringen. Jesus weiß, dass es erleichternd sein kann, wenn der Mensch das ausspricht, was ihn bewegt. Und es funktioniert, zumindest bei Kleopas, der sich nun in einem wahren Wortschwall alles von der Seele spricht.

Was hatten sie gehofft! Der Retter, auf den sie ihre Hoffnung setzten, ist vor drei Tagen hingerichtet und begraben worden, und nun wissen sie nicht mehr weiter. Die Nachricht vom leeren Grab hat sie noch mehr verunsichert. Sie sind mit ihrem Latein am Ende. Enttäuschte Hoffnung spricht aus jedem einzelnen von Kleopas' Worten.

Was tut Jesus? Er lässt Kleopas reden, unterbricht ihn nicht, hört einfach zu. Jesus geht mit und ist präsent, mehr braucht es nicht. Erst als Kleopas geendet hat, ergreift Jesus das Wort.

Wir können lernen, so zuzuhören, wie Jesus es getan hat. Bei Ihm hat all das Platz, was in einer auf Wellness ausgerichteten Wohlfühl- und Wegschaugesellschaft oft keinen Platz mehr bekommt - das Dunkle, das Bittere, die Trauer und die Wut.

Seltsamerweise scheint der zweite Jünger unbekannten Namens zu der Erzählung des Kleopas nichts beizusteuern. Er verharrt im Schweigen - vielleicht ist das seine eigene Art, das Belastende zu bewältigen.

Aber dennoch spricht Jesus in der Folge nicht allein Kleopas an, sondern beide Jünger. Er ermahnt sie zum vertrauenden Glauben, woraufhin Er ihnen die Schriften des Alten Testamentes auslegt. Im Wort der Heiligen Schrift finden wir Trost und Ermutigung, weil in diesem Wort Gott selbst uns anspricht.

Als die Drei dann schließlich in Emmaus angekommen sind, tut Jesus so, als wollte Er die beiden Jünger verlassen und seinen Weg allein fortsetzen. Erst auf die dringende Bitte seiner Weggefährten hin (Luther übersetzt sogar: "sie nötigten ihn"!) bleibt der Herr bei ihnen. Jesus möchte gebeten werden. Um nichts in der Welt würde Er sich aufdrängen, Er möchte aus freien Stücken eingeladen werden. Und diese Bitte erfüllt er umgehend: "Er ging mit hinein, um bei ihnen zu bleiben."

Dies ist ein Satz, der in all seiner Schlichtheit näher betrachtet zu werden verdient, so wie er in der Einheitsübersetzung geschrieben steht. Die Satzkonstruktion legt nämlich nahe, dass dieses Bleiben der einzige Zweck ist, zu dem Jesus die Herberge betritt. Er geht nur deshalb mit hinein, weil er bei ihnen bleiben will. Ich wage zu behaupten, dass dies von Anbeginn des Weges Seine Absicht war.

Beim gemeinsamen Mahl, als Jesus das Brot bricht, wie es nach jüdischer Tischsitte üblich ist, gehen den Jüngern schlagartig die Augen auf, und sie erkennen ihren Herrn. Da sie selbst nicht beim Letzten Abendmahl dabei waren, steht zu vermuten, dass sie Ihn an einer Eigenheit in Mimik und Gestik erkannten, die nur Ihm eigen war. Oder die Apostel hatten ihnen vom Abendmahl am Gründonnerstag berichtet. Genau wissen wir es nicht. Aber Jesus gibt sich Seinen Jüngern zu erkennen... nur um einen Augenblick später wieder zu verschwinden.

Was den beiden Jüngern von dieser Begegnung bleibt, ist ein brennendes Herz: "Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete...?" Daraufhin kehren sie sofort um ("noch in derselben Stunde") und gehen den ganzen langen Weg nach Jerusalem zurück - so sehr hat es sie gepackt und verwandelt! Sie zögern keinen Augenblick, sie brechen sofort wieder auf. In Jerusalem angekommen, werden sie von den Aposteln und einer unbekannten Anzahl anderer Jünger Jesu in Empfang genommen, die ihnen erzählen, dass Jesus dem Petrus erschienen ist. Daraufhin geben sie Zeugnis von dem, was sie selbst mit dem Auferstandenen erlebt haben.

Dieses Emmaus-Evangelium begleitet mich nun seit beinahe 20 Jahren. Es sagt mir: In meiner tiefsten Verzweiflung nähert sich mir Jesus und geht meinen Weg mit mir, auch dann, wenn ich Ihn in diesem Moment nicht erkennen kann. Er möchte wissen, was mich bewegt, was mir das Herz schwer macht. Er ermutigt mich, Er bleibt bei mir, und Er ist mir ganz besonders nahe, wenn das Brot gebrochen wird, welches Sein Leib ist.

Wenn ich erkenne, dass ER es war (und wie oft geschieht das erst viel später), dann erfüllt diese Erkenntnis mein Herz so intensiv, dass ich sie mit anderen teilen möchte. Aus diesem Teilen erwächst ein Segen für beide Seiten: für den, der es erzählt, und für den Zuhörenden, der davon erfährt.

Ich wünsche uns allen ganz, ganz viele Emmaus-Erlebnisse!

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